Seelenfutter 16. Mai 2021: Hört da jemand?
Wann, wie oft und wo beten Sie, betest Du? Das kann
man sich schon mal fragen. Erst recht in diesen zwar durch die
Corona-Lockerungen wieder hoffnungsvolleren, aber trotzdem immer noch
schwierigen Zeiten. Bei unseren Präparanden geht es gerade ums Beten. Und da
zeigt sich, dass die Jugendlichen doch mehr beten als man vielleicht denkt. Und
sie sagen, dass sie am besten in der Kirche beten können. Was doch ein
andächtiger anderer Raum ausmacht, in dem man bewusst zur Ruhe und zu Gott
kommt! Mit meinen 4. Klässlern in der Grundschule entdecken wir gerade den
Islam. Muslime sind wahre Ausdauerbeter. Fünfmal am Tag unterbrechen sie den
Alltagstrott, um zu beten. Und im gerade zu Ende gegangenen Fastenmonat Ramadan
gibt es jeden Abend beim Fastenbrechen ein spezielles Gebet.
Neben dem Dank- sind wohl die Bittgebete die häufigsten Kontaktaufnahmen mit Gott. Viele beten gerade jetzt in der Corona-Zeit: Bitte Gott, behüte und beschütze uns. Lass uns gesund bleiben. Gib uns Geduld, die schwierigen Zeiten durchzustehen. Und Rücksicht zu nehmen. So oder so ähnlich hört es sich momentan an. Und ich denke, dass viele, die bis jetzt gesund und geduldig geblieben sind, sich sicher sind, dass Gott ihr Gebet erhört hat. Nicht immer haben wir ja den Eindruck, dass unser Gebet was bringt, dass Gott unser Gebet erhört. Da passiert nicht das, was wir erhoffen. Gebetserhörung, ein schwieriges Thema. Am meisten begegnet mir dieses Thema, wenn jemand stirbt. Wenn jemand arg leiden musste, auf die letzten Tage noch gequält war, dann sagen die Angehörigen oft, es war gut so, dass er oder sie gehen und sterben konnte. Und manche erzählen sogar, dass sie Gott gebeten haben ihn oder sie zu erlösen. Und er das nun erhört hat.
Wann hattest Du/wann hatten Sie schon mal das Gefühl oder warst/waren Sie sogar sicher, dass Gott Dein/Ihr Gebet erhört hat, als Du/Sie ihn um etwas gebeten hast/haben?
Im Buch Jesus Sirach aus dem Alten Testament der Bibel geht es an einer Stelle auch um Gebetserhörung:
Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet des Unterdrückten.
Wer Gott dient, den nimmt er mit Wohlgefallen an, und sein Gebet reicht bis in die Wolken.
Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis er dort ist, bleibt er ohne Trost,
und er lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt (Jesus Sirach 35,16.20-21).
Das Buch Jesus Sirach ist eher unbekannt. Es steht auch nicht in jeder Bibel. Es gehört zu den sog. Apokryphen. In den Synoden der frühen Kirche hat es dieses Buch nicht in den jetzigen Kanon, also in die Büchersammlung, der Bibel geschafft. Es wurde von einem Jesus, Sohn des Sirach aus dem Jerusalemer Bürgertum des 2. Jhd. v. Chr. verfasst. Es gehört zur jüdischen Weisheitsliteratur. Wie etwa auch die Psalmen oder das Buch Prediger, das bekannt geworden ist durch das Gedicht „Alles hat seine Zeit“. In den Weisheitsbüchern geht es um Lebensweisheit, die im Glauben an Gott gründet. Weise und gut verhält sich derjenige, der sich Gott hingibt und auf ihn vertraut. Um diese Gottesfurcht geht es auch in unserem kurzen Stück für heute:
Wer demütig gegenüber Gott ist, wer ihm dient, wer ihn also als den obersten Chef seines Lebens anerkennt, ihn machen lässt und auf ihn vertraut, dessen Gebet wird erhört, heißt es hier. Gebet funktioniert nicht so: Ich wünsch mir was von Gott. Und das wird dann auch erfüllt von ihm. Gebet bleibt immer demütiges Bitten. Gott hat das letzte Sagen. „Dein Wille geschehe“, heißt es passend dazu im Vaterunser. Derjenige, der sich seine Hilfs-Bedürftigkeit eingesteht, der weiß, dass er nicht alles alleine aus eigener Kraft schafft. Der den Kontakt mit Gott sucht, der ihn demütig bittet, dessen Gebet wird Gott erhören, sagt Jesus Sirach. Wohl aus Erfahrung, aus Lebens- und Glaubens-Weisheit heraus. Aus dem Vertrauen heraus, dass Gott meine Bedürftigkeit sieht. Dass er mitbekommt, dass ich Hilfe brauche. Und wenn sich das Erhoffte dann nicht einstellt, tut sich doch etwas. Das Gebet verändert mich. Meine innere Haltung, meinen Blick auf die Sache vielleicht. Ich tanke Kraft, Mut und Zuversicht. Ich vertraue darauf, dass ich nicht allein bin. Dass Gott da ist.
Und das ganz ohne Ansehen der Person. Wie es hier so schön heißt. Gott setzt sich besonders für diejenigen ein, die in Not sind, die ungerecht behandelt werden. Gott hat besonders diejenigen im Blick. Er vergisst sie nicht. Anders als vielleicht manche Menschen.
Wer beten möchte:
Gott, du hörst mir zu. Darauf vertraue ich. Und so bitte ich dich heute für mich … Ich bitte dich auch für Menschen, die in Not sind und Unterstützung benötigen … Hilf mir und uns, deinen Willen zu akzeptieren. Amen.
Wer zuhören
und mitsingen möchte:
Wenn die Last der Welt dir zu schaffen macht (EG 645)
Herzliche Grüße von Ihrem und Eurem Pfarrer Norman Roth