Sonntagsgedanken 3. Mai 2020: Gestimmtheit des Herzens
In einem Hof spielten einmal zwei Kinder ein
lustiges Spiel. Sie dachten sich eine ganz besondere Sprache aus, in der sie
miteinander reden konnten, ohne dass andere Leute eine Silbe davon verstanden.
„Brif, braf“, sagte der Erste. „Braf, brof“, antwortete der Zweite. Und dann
lachten alle beide ganz toll. Im oberen Stockwerk des Hauses saß ein alter Herr
auf dem Balkon und las seine Zeitung. Im Haus gegenüber lehnte eine alte Frau
zum Fenster hinaus. „Was sind das für dumme Kinder, die zwei da unten“, sagte
die Frau. Aber der alte Herr war nicht ihrer Meinung: „Das finde ich nicht.“
„Sagen Sie nur nicht, dass Sie verstanden hätten, was sie eben gesagt haben.“
„Doch, ich habe alles verstanden. Der Erste sagte: Was für ein herrlicher Tag
heute Und der Zweite antwortete: Morgen wird´s noch viel schöner.“ Die alte
Frau rümpfte die Nase, schwieg aber still, weil die Kinder unten im Hof wieder
angefangen hatten, sich in ihrer Geheimsprache zu unterhalten. „Maraschi,
barabaschi, pfiffirimoschi“, sagte der Erste. „Bruf“, antwortete der Zweite.
Und wieder brach ihr tolles Gelächter los. „Wollen Sie das auch wieder
verstanden haben?“, rief die alte Frau erbost ihrem Nachbarn zu. „Sicher“,
antwortete der alte Herr lächelnd. „Der Erste hat gesagt: Wie sind wir doch
froh, dass wir auf der Welt sind! Und der Zweite hat ihm geantwortet: Die Welt
ist ganz wunderbar!“ „Aber ist sie wirklich wunderbar, die Welt?“, bohrte die
alte Dame weiter. „Brif, bruf, braf“, antwortete der alte Herr.
(Gianni Rodari, 1920-1980, italienischer
Schriftsteller und Kinderbuchautor, aus: Hans-Martin Lübking u. a. (Hrsg.), Beim Wort genommen. Ein Andachtsbuch, Gütersloh 2002, ISBN 3579055046, S. 97)
Ich
vermute mal, dass wir in diesen Wochen eher auf der Seite der alten Dame
stehen. Mit ihrer Anfrage, ob die Welt wirklich wunderbar ist. Vielfach erleben
wir sie im Moment von ihrer weniger wunderbaren Seite. Und doch ist da auch der
alte Herr, der den Geheimcode der Sprache der beiden Kinder erstaunlicherweise
entschlüsselt. Er versteht mit dem Herzen, zwischen den Zeilen. Ob bei dem
alten Mann immer alles gut und unbeschwert gelaufen ist im Leben? Ich denke
nicht. Auch er wird schwierige Zeiten durchgestanden haben. Und doch kommt er
zu dem Schluss, dass die Welt wunderbar ist. Sein Herz ist positiv gestimmt.
Mit Freude an dieser Welt.
Der heutige Sonntag trägt den Namen „Jubilate“, also „jauchzt Gott, lobt ihn“. Zum Jubilieren ist vielen von uns zur Zeit wohl nicht so recht zumute. Eher vom Gegenteil gehe ich aus. Das Wort „Corona“ mag so mancher schon nicht mehr hören. Dabei ist dieses Wort der Grund dafür, dass auch die Jubiläumskonfirmation in diesem Jahr nicht stattfinden kann. Bei der Gelegenheit hätten wir letzten Sonntag schon und auch heute gemeinsam Gott gelobt und ihm gedankt, dass er uns auf unserem Lebensweg begleitet und uns viel Gutes hat erleben lassen. Und uns geholfen hat, auch Schweres zu bewältigen. Unser Herz wäre positiv, dankbar und freudig gestimmt.
Aber
warum soll es nicht grundsätzlich so gestimmt sein? Warum sollen wir nicht
generell Gott danken und ihn loben für die wunderbare Welt, trotz allem? Jesus
hat einmal gesagt: „Ich bin der
Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt
viel Frucht“ (Johannes 15,5). Wenn wir auf Gott vertrauen, dann bleiben wir
fest verbunden mit ihm. Wie die Reben am Weinstock. Ein wunderbares Bild in
einer wunderbaren Welt für mich als Südpfälzer.
Und wenn wir fest mit Gott verbunden bleiben, dann denken und machen wir viele Dinge, die in Gottes Sinne sind. Dann denken und machen wir viel Gutes. Dann verlieren wir nicht so schnell den Blick auch auf die schönen Seiten dieser grundsätzlich wunderbaren Welt. Dann bleibt unser Herz grundsätzlich positiv gestimmt. Mutig und zuversichtlich. Und zum Lob und Dank Gottes bereit. Auch wenn vieles schwer bleibt in dieser Welt, in unserem Leben und in dieser Corona-Zeit.
Wer auf Gott vertraut, blickt anders auf und in die Welt. Der sieht auch noch dann Helles, wenn andere nur Schwarz sehen. In diesen Wochen drückt man es vielleicht so aus wie diese junge Frau: „Viele Dinge, die ich für wichtig gehalten habe, werden plötzlich nebensächlich. Jetzt überlege ich doch mehr, was mir wirklich wichtig ist“. Vielleicht entdeckt so mancher wieder neu als Rebe den Weinstock. Vielleicht erinnert sich mancher wieder neu an die Verbindung zu Gott. Knackt den Geheimcode der Kinder. Sieht, wie wunderbar diese Welt ist, trotz allem. Und merkt wie das sein Herz grundsätzlich positiv stimmt. Gott sei Dank.
Dazu Passendes aus der Bibel:
Ein altes Lied und Gebet, Psalm 66:
Wer beten möchte:
Gott,
du Schöpfer aller Dinge. Danke für diese wunderbare Welt. Danke für alles Gute, was wir erleben. Hilf uns, in allem Schweren den Blick dafür zu behalten. Hilf uns, nicht zu verzagen. Schenke uns Zuversicht und ein positiv gestimmtes Herz. Schenke uns immer wieder Vertrauen zu dir.
Sei bei denen, die deine Hilfe in diesen Wochen ganz besonders benötigen…
Amen.
Wichtige Information:
Gottesdienste werden in unserer Kirchengemeinde voraussichtlich wieder ab Pfingsten stattfinden. Allerdings unter Beachtung der aktuell gültigen Corona-Schutzmaßnahmen. Weitere Infos folgen.
Bleibt behütet und gesund!
Ihr und Euer Pfarrer Norman Roth
PS: Teilt bitte gerne wie immer diese Gedanken. Vor allem mit denjenigen, die nicht online sind. Vielen Dank!