Sonntagsgedanken 19. April 2020: Wie neu geboren
Mir tut es in den letzten Tagen gut, Kinder in der Nachbarschaft spielen, rufen und vielleicht auch schreien zu hören. Neben allen Bau- und Maschinengeräuschen. Oder dem angenehmeren Sound des Frühlings-Vogel-Gezwitschers. Sonst geht es ja eher ruhig zu draußen in diesen Corona-Zeiten. Selbst wenn die Schulen und Kitas zu und die Spielplätze gesperrt sind: Kinder zu hören ist für mich ein Stück Lebendigkeit. Und das macht mir Mut. Und gibt mir Zuversicht. Erst recht jetzt.
Warum die Kinder? Sie sind noch ein gutes Stück unbekümmerter als wir Erwachsene. Sie gehen einfach neugierig drauf los. Wollen etwas anpacken und Neues entdecken. Und fühlen sich dabei sicher und geborgen. Sie erwarten Gutes. Sie fragen nach: Wie geht das? Kannst Du das? Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum? Sie haben ein starkes Urvertrauen in den guten Verlauf der Welt. Kinder sind in der Regel unbekümmert. So sie nicht schon aus irgendeinem Grund Schweres erleben mussten oder gerade mitmachen müssen. Etwas, das ihnen das positive Urvertrauen bricht.
Die katholischen Drittklässler würden heute „Weißen Sonntag“ feiern. Als getaufte Kinder würden sie mit dem Empfang der Heiligen Kommunion komplett in die Gemeinde aufgenommen. Genau wie die Konfirmationen bei uns Evangelischen müssen diese wichtigen Feierlichkeiten aber verschoben werden.
Warum weißer Sonntag?
Was uns für heute bleibt, ist allerdings die Bedeutung dieses Sonntags:
Die Farbe Weiß erinnert nicht nur an die „weiße Weste“, die Unbekümmertheit und Unbescholtenheit der Kinder. Sie erinnert uns auch an unsere Taufe als Christinnen und Christen. Die meisten von uns wurden als Baby getauft. Dazu hat man uns früher in ein weißes Taufkleid gesteckt, egal ob Mädchen oder Junge. Und dieses Taufkleid ist dann in der Familie „weitervererbt“ worden. Bei unserer Taufe, ganz gleich ob als Baby, als Kind, als Jugendlicher oder Erwachsener, haben wir ein neues Leben mit Gott begonnen. Quasi mit weißer Weste, noch ganz unbekümmert. Und haben fröhlich drauflosvertraut auf diesen Gott, der sagt: Ich hab dich lieb. Ich bin bei dir.
Der Sonntag heute heißt „Quasimodogeniti“. Das ist lateinisch und bedeutet: Wie die neugeborenen Kinder. Damit sind nicht nur Babys gemeint. Sondern alle, die bei der Taufe offiziell ihren Lebensweg neu mit Gottvertrauen begonnen haben. Martin Luther hat sich jeden Tag auf diese Weise wie neugeboren gefühlt. Weil er sich regelmäßig an seine Taufe erinnert hat. Und als kleinen Tipp aus eigener Erfahrung hat er gesagt: „Man soll jeden Tag in die Taufe hineinkriechen, damit man frisch belebt wieder daraus hervorkommt“. Luther hat es Kraft und Hoffnung gegeben, sich daran zu erinnern, von Gott geliebt und begleitet zu sein.
Uns nicht nur heute am „weißen“ Sonntag
Quasimodogeniti an unsere Taufe zu erinnern, kann uns gerade jetzt in der
schwierigen Corona-Zeit helfen: Viele haben sehnsüchtig auf Lockerungen in den
Einschränkungen gewartet. Aber nun merken wir, dass alles doch nicht so einfach
ist. Und doch nicht so schnell geht.
Was wie erwarten, ohne enttäuscht zu werden?
Die außerplanmäßige Normalität wird uns auch in den nächsten Wochen und Monaten viel Improvisationstalent, Geduld und Verzicht abverlangen. Da wäre es doch zu schön, wenn auf einen Schlag alles wieder so wäre wie vorher. Vieles bleibt stattdessen ungewiss und macht uns Sorgen. Vieles ärgert uns. Wie wird der Schulunterricht werden? Wann können die Kinder wieder in die Kita? Wie geht es auf der Arbeit weiter? Und finanziell? Wann kann ich wieder in den Gottesdienst gehen? Oder meine Verwandten besuchen? Viele Veranstaltungen und Feste werden über den Sommer nicht stattfinden können. Oder wenn, dann nur unter großen hygienischen Auflagen. So einige gesellige Höhepunkte, auf die man sich freut, wird es nicht geben. Das wird auch die Dorffeste und Kerwen in unseren Orten betreffen. Und was passiert mit Ferien und Urlaub? Wann und wie kann ich mich mal erholen vom anstrengenden Ausnahme-Alltag in Familie und Beruf?
Ich denke, gerade jetzt in diesen ungewissen und außergewöhnlichen Zeiten kann uns die Unbekümmertheit der Kinder helfen. Mit Gelassenheit und mit der Erwartung einer guten Entwicklung den Schwierigkeiten entgegengehen. Sie auf sich zukommen lassen. In der Hoffnung, dass wir gemeinsam die Situation bewältigen und auch wieder andere Zeiten kommen. Und im Wissen, dass der Gott mit uns geht, der in der Taufe ein liebevolles „Ja“ zu uns gesagt hat. Dann fühlen wir uns vielleicht nicht jeden Tag gleich wie neugeboren. Vielleicht eher wie „neu gerädert“ oder wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Aber der Blick auf die Kinder und unsere Taufe, der kann uns gut tun und Kraft und Zuversicht geben.
Dazu Passendes aus der Bibel:
Der Spruch der uns durch die kommende Woche begleiten soll:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (1. Petrus 1,3)
Verse für den heutigen Sonntag:
Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40,26-31)
Wer beten möchte:
Gott,
mit unseren Ungewissheiten, unseren Ängsten und Sorgen, aber auch unserer Kraft und Zuversicht wenden wir uns in diesen Zeiten an dich. An Ostern hast du Jesus neues Leben geschenkt. Dafür danken wir dir. Und wir bitten dich: Gib uns Hoffnung, wo wir uns fürchten. Gib uns Freude, wo wir traurig sind. Gib uns Vertrauen zu dir, wo uns Ängste und Sorgen beherrschen. Gib uns Geduld, Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein, wo wir ungeduldig werden. Vergib uns, wo uns Schuld belastet. Lass uns auf dich vertrauen und wecke Leben in uns. Halte uns fest in deiner Hand.
Wir bitten dich für alle, die in diesen schwierigen Zeiten deine Begleitung und Hilfe brauchen…
Wir danken dir aber auch für alle, die in diesen schwierigen Zeiten für uns da sind…
Amen.
Bleibt behütet und gesund!
Euer und Ihr Pfarrer Norman Roth
PS: Teilt gerne die Gedanken mit anderen, vor allem auch mit denen, die nicht online sind. Vielen Dank!