Sonntagsgedanken: Ruf doch mal an!
In den letzten Tagen kam mir der alte Slogan "Ruf doch mal an" immer wieder in den Sinn. Wir leben ja gerade in staatlich verordneter und sicherlich notwendiger sozialer Distanz. Sind mit Kontaktverbot belegt. Sollen uns wegen des Corona-Virus voneinander fernhalten. Stimmt. Ist richtig und sinnvoll. Aber ich merke doch zunehmend wie mir die direkte Begegnung mit anderen Menschen fehlt, die meinen beruflichen und privaten Alltag ausgemacht haben. Und wenn ich mich so umhöre, fehlen vielen von uns die direkten menschlichen Kontakte. Selbst im Supermarkt beobachte ich Menschen, die nicht nur die Abstandsmarkierungen an der Kasse einhalten, sondern auch warten bis der Gang frei ist, um ans Glas Marmelade zu kommen. Und dann ein kurzer Gruß auf Abstand zu den Bekannten. Noch vor drei Wochen wären wir vielleicht ein bisschen zusammengestanden. Und hätten miteinander erzählt: "Wie geht´s?" "Hast Du schon gehört?"
Und nun: Sozialer Sicherheitsabstand. Sozialer Rückzug. Aus Rücksicht, aber auch aus Angst. Wer will andere und sich selbst schon anstecken.
Aber: Jammern darüber hilft nichts. Es ist nun mal so. Und wird vermutlich auch in den nächsten Wochen noch so bleiben. Also heißt es kreativ werden. Ideen sind gefragt. Um irgendwie anders in Kontakt zu kommen und in Verbindung miteinander zu bleiben.
Vieles entdecken wir dabei gerade neu. Videokonferenzen zum Beispiel, um sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Oder die Kinder skypen täglich mit Oma und Opa. Wie schön ist es, wenn die Video-Leitung steht und wir uns plötzlich sehen. Ein Lächeln geht da über die Gesichter. Wir winken uns zu. Ist zwar nicht wie sich zu treffen. Aber immerhin tut es gut. Solange die Internet-Verbindung gut ist. Und das Video-Bild nicht anfängt unscharf zu werden und zu "ruckeln".
Da hilft es vielleicht, auch wieder Altbekanntes neu zu entdecken. Bei uns auf dem Land, wo fast jeder einen Garten am Haus hat, z. B.. den Plausch übern Gartenzaun. Bei dem tollen Frühlingswetter in den letzten Tagen waren ja viele fleißig am Mähen und Pflanzen. Wie schön ist es da, sich nach den langen Wintermonaten draußen wieder öfter zu sehen. Und ein paar Takte miteinander zu sprechen. Mit räumlichem Abstand über Hecke und Zaun. Und vielleicht kitten sich dabei auch mal Unstimmigkeiten, die man so miteinander hatte.
Ich merke, dass wir gerade wieder etwas neu entdecken, das zunehmend als Kommunikations-Mittel in den Hintergrund getreten ist: Das Telefonieren. Immer weniger wurde telefoniert in den letzten Jahren. Smartphones hatten nur als "Notfunktion" auch die Telefonie. Viel schicker war es, sich schnell zu schreiben oder zu posten auf Facebook, WhatsApp und Co. Bilder und Videos schicken. Auch per Mail. Und jetzt doch wieder: Telefonieren. Wenn zwar nicht alle Stricke reißen. Aber die Leitungen überlastet sind. Und nicht jede und jeder ist ja Inter-nett oder Online, wie man auch sagt.
Ruf doch mal an.
In Corona-Zeiten möchte ich bewusst mal wieder Werbung auch fürs Telefonieren machen. Ruf doch mal wieder jemanden an, mit dem oder der Du lange nicht gesprochen hast. Gerade jetzt, wo viele nicht aus dem Haus rausgehen. Wo viele Kontakte vermissen. Und sich vielleicht einsam fühlen. Ruf doch mal an. Bei Deiner Nachbarin, bei Deinem Freund. Bei der alleinstehenden Frau am Ende der Straße, die Du lange nicht gesehen hast. Wie geht´s? Was machst Du so? Wie gehst Du mit der Corona-Krise um? Was tut Dir gut? Genießt Du den Frühling? All das könnten wir doch mal wieder fragen. Oder uns sogar regelmäßig zum Telefon-Plausch verabreden. Und wenn wir schon nicht zusammensitzen, dann können wir ja trotzdem nebenbei eine Tasse Tee oder Kaffee genießen. Genau wie sie oder er am anderen Ende der Leitung. Vielleicht ist dann ja mal ein Schlurfen zu hören, aber das tut gut. Und zeigt: Wir haben Zeit füreinander. Wir freuen uns darüber, in Verbindung zu sein. Und vielleicht ergeben sich dabei neue und andere Kontakte. Oder wir lernen jemanden plötzlich ganz neu und anders kennen.
Vielleicht mal auch in die "Chefetage"?
Mir tut es übrigens in den letzten Tagen auch gut, jemand ganz anderen anzurufen: Gott. Mit ihm in Verbindung zu sein. Zwar nicht mit dem Telefonhörer. Aber öfter mal im Gebet. Mit ihm zu sprechen, gibt mir Halt in dieser schwierigen und ungewissen Zeit. Nach einem turbulenten Tag zwischen schlechten Nachrichten und Corona-Live-Ticker tut es mir gut, um 19 Uhr beim Läuten der Glocken eine Kerze anzuzünden und ein paar Minuten innezuhalten, zur Ruhe zu kommen, an die zu denken, die Hilfe brauchen oder denen zu danken, die in dieser Zeit besonders für uns da sind. Und für sie zu beten. Und zu wissen, ich bin nicht allein. Viele machen das gerade auch. Und einer ist ganz sicher auch da: Gott.
Die Hotline des Lebens und der Liebe ist immer geschaltet für mich. Ihn kann ich anrufen. An ihn kann ich mich mit allem wenden, was mich umtreibt, was mich unruhig macht, was mir sorgen bereitet, was mich ängstlich und traurig macht. Aber auch das, wofür ich danken will. Und ich kann ihm andere Menschen ans Herz legen, die seine Hilfe und Stärkung besonders brauchen.
"Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen", heißt es in einem alten Gebet und Lied in der Bibel, in Psalm 50,15.
Ja, Gott gerade in diesen Zeiten immer wieder anzurufen tut uns mindestens genauso gut, wie mit anderen öfter zu telefonieren. "Ruf doch mal an", ein richtig gutes und aktuelles Motto. In jeglicher Hinsicht.
Um mit Gott in diesen Tagen und Wochen in Kontakt zu sein, ist vielleicht auch das Gebet eine Hilfe, das Kirchenpräsident Schad und Bischof Wiesemann am Samstag vor einer Woche in einer Andacht gemeinsam gesprochen haben:
Treuer und barmherziger Gott!
Du gibst Zuversicht, wenn sich in uns Unsicherheit breitmacht.
Du bist uns nahe, wenn wir auf Distanz zueinander gehen müssen.
Du hältst uns in deiner Hand, wenn wir den Halt zu verlieren drohen.
Zu dir kommen wir mit unseren Sorgen und Ängsten,
aber auch mit unserer Hoffnung auf deine Hilfe.
Zu dir kommen wir im Wissen darum, dass wir nicht alleine zu dir beten,
sondern getragen sind von der großen Gemeinschaft aller,
die dir und deinem Wirken vertrauen.
Wir bitten dich:
für alle Menschen, die sich mit dem Corona-Virus angesteckt haben und erkrankt sind;
für alle Angehörigen, die in tiefer Sorge sind und nach Halt suchen;
für alle Verstorbenen und für die, die um sie trauern;
für alle, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und um ihre Existenz fürchten;
für alle, die sich überfordert fühlen.
Sei ihnen allen nahe und schenke ihnen Heilung, Trost und Zuversicht,
den Verstorbenen aber schenke das Leben in deiner Fülle.
Wir bitten dich:
für alle Ärztinnen und Ärzte, für alle Pflegenden in den Kliniken, Seniorenheimen und Hospizen;
für alle, die Verantwortung tragen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft;
für alle, die uns Tag und Nacht mit dem versorgen, was wir zum Leben brauchen;
für alle, die ehrenamtlich Familien sowie alten und gesundheitlich beeinträchtigten Menschen helfen;
für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Menschen Gottes Frohe Botschaft zusagen.
Sei auch ihnen nahe und schenke ihnen Kraft, Mut und Zuversicht.
Auch bitten wir dich für uns selbst:
Lass uns trotz aller Sorge um das eigene Wohlergehen
den Blick für die anderen nicht verlieren und ihnen nach Kräften beistehen.
Stärke in uns die Bereitschaft, Einschränkungen in Kauf zu nehmen,
und lass uns so das Unsere dazu beitragen, dass andere Menschen nicht gefährdet werden.
Erhalte in uns die Hoffnung auf dich, unseren Herrn und Gott,
der uns tröstet wie eine liebende Mutter und der sich aller Kranken und Not Leidenden annimmt.
Dir vertrauen wir uns an.
Dich loben und preisen wir, heute und alle Tage unseres Lebens bis in Ewigkeit.
Amen.
Beibt behütet und gesund!
Euer Pfarrer Norman Roth
PS: Teilt bitte gerne diese Sonntagsgedanken mit anderen, leitet sie weiter oder druckt sie aus und gebt sie denjenigen, die nicht online sind. Ganz herzlichen Dank! Wer möchte, kann um 19 Uhr eine Kerze anzünden und ans Fenster stellen.